Vor einiger Zeit war ich im Kloster auf einem interessanten Seminar. Der Titel des Seminars lautete: Die Sinn-Frage in der zweiten Lebenshälfte. Ok – Ich fand den ersten Teil des Titels, aufgrund meiner täglichen Arbeit sehr interessant; mit dem zweiten Teil, der zweiten Lebenshälfte, konnte ich mich mit meinem Alter von 40 Jahren nicht so ganz identifizieren. Sei’s drum.

Von der Lehrerin über die Sekretärin, der Führungskraft, dem Rentner bis hin zum Unternehmer war alles vertreten. Bis auf wenige Ausnahmen hatten die Teilnehmer also – erwartungsgemäß – ganz unterschiedliche Hintergründe. Und doch stellte sich bei der Vorstellungsrunde heraus: Es trieb sie nahezu alle im Kern das gleiche oder aber ein sehr ähnliches Thema um. Jeder erzählte natürlich seine bzw. ihre ganz individuelle Geschichte. Zwei dieser Geschichten sind mir sehr eindrücklich in Erinnerung geblieben. Und genau von diesen beiden Geschichten – selbstverständlich anonymisiert – will ich Dir hier gerne erzählen.

Ludwig und die abrupte Wende

Da haben wir als erstes Ludwig. Ludwig ist 59, der älteste von 3 Geschwistern, verheiratet, drei Kinder, großes repräsentatives Eigenheim. Zudem ist Ludwig seit bald 20 Jahren Unternehmer. Erfolgreicher Unternehmer. Sein Unternehmen ist Zulieferer für wirklich große Industrieunternehmen und Organisationen. Die große Herausforderung in seinem Unternehmen ist, dass die Produkte, mit denen sie andere Firmen beliefert immer Individualproduktionen sind. Und natürlich auch immer harte Deadlines und Konventionalstrafen vereinbart sind. Auf der anderen Seite haben diese Individualprodukte natürlich auch einen stolzen Preis. Ein hohes Umsatzvolumen ist also schon mal gewährleistet. Ach ja. Und dann gibt es im Unternehmen von Ludwig natürlich auch noch Mitarbeiter. Auf jeden Fall eine deutlich 3-stellige Anzahl. Ludwig trägt also viel Verantwortung. Seinen Mitarbeitern gegenüber und auch seinen Kunden und Auftraggebern gegenüber.

All diese Umstände hat Ludwig in den letzten Jahren immer gut gemeistert. Ein paar Stunden über dem Maß und Diskussionen mit der Familie waren natürlich auch oft dabei – aber es ist ja immerhin auch sein Unternehmen und sein Erfolg, auf den er ja stolz sein kann. Seit ein paar Monaten allerdings hat sich etwas verändert. Es hat begonnen, sich ein Gefühl der Leere auszubreiten. „Ich habe aktuell das Gefühl, ich habe die letzten 20 Jahre nur funktioniert und nicht wirklich gelebt.“ „Komischerweise“, merkt Ludwig so ganz nebenbei an „in etwa seit dem Tod meines Vaters vor jetzt etwa 4 Monaten. Ich frage mich, wofür ich das eigentlich alles mache…“

Ich sitze in der Runde und bekomme Gänsehaut. Da ist also Ludwig, ein erfolgreicher Unternehmer, der seine letzten 20 Jahre (!) mit den Worten „Ich habe nur funktioniert, nicht gelebt“ resümiert…

Rosa und die unendliche Leere

Etwas später ist Rosa an der Reihe. Rosa ist Mitte 50. Sie ist verheiratet, hat zwei Kinder. Beruflich hat sie – wenn sie nicht wegen der Kinder zu Hause war – als Sekretärin gearbeitet. Ihr Ehemann war in seinem Beruf immer sehr erfolgreich und hat viel Geld mit nach Hause gebracht. Rosa konnte „aus dem vollen Schöpfen“. Rosa hat es immer als Aufgabe gesehen, Ihrem Mann den Rücken frei zu halten und die Kinder zu versorgen. Ihr Mann war nicht so oft zu Hause, weil er viel auf Geschäftsreisen war. Aber das ist halt so, wenn man beruflich erfolgreich sein will. Seit etwa 2 Jahren sind die Kinder aus dem Haus. Insgeheim hatte sich Rosa schon darauf gefreut, wenn dieser Zeitpunkt irgendwann mal da ist. Denn das andauernde hinter den Kindern her räumen hatte sie die letzten Jahre schon genervt. Und es kam auch immer mal wieder zu Streitereien, weil sie nicht immer mit allen Entscheidungen der Kinder einverstanden war. Und dann war der Tag da, als das zweite Kind ausgezogen ist. Ein weiteres leeres Zimmer. Ein tiefes Loch.

„Ich hatte mich 20 Jahre auf den Tag gefreut, wenn meine Kinder selbstständig sind und das Haus verlassen. Als es dann soweit war, wusste ich plötzlich gar nicht mehr, was ich mit meiner ganzen Zeit anfangen soll.“ Und dann kam wieder ein Satz, der mir Gänsehaut machte: „Ich weiß gar nicht, welchen Sinn das jetzt alles noch hat“.

Funktionierst Du noch, oder lebst Du schon?

Das sind nur zwei der Geschichten aus dem Seminar und dazu auch noch in einer extremen Zusammenfassung. Und gleichzeitig sind es zwei Geschichten, die eine Symptomatik aufzeigen. Menschen scheinen allzu häufig das gesamte Leben zu funktionieren. Und dabei will ich das hier gar nicht im Sinne von „gut“ oder „schlecht“, „richtig“ oder „falsch“ werten. Wir halten lediglich fest: Rosa war immer da, wenn die Kinder sie brauchten, oder sie dem Ehemann den Rücken freihalten musste. Dafür musste sie sich nie wirklich existenzielle Sorgen machen. Ludwig hat alles für sein Unternehmen gegeben. Für seine Mitarbeiter uns seine Kunden. Und dieses Engagement war am Ende mit unternehmerischem Erfolg und Anerkennung gekrönt. Aus dem, was beide erzählten wurde allerdings deutlich, was sie in den letzten Jahren übersehen hatten: Sie hatten sich beide nicht um sich selbst und die eigenen Bedürfnisse gekümmert. Sie haben einfach nur „funktioniert“.

Die Einstiegsfrage: „Funktionierst Du noch oder lebst Du schon?“ ist also eine sehr existenzielle Frage. Beide, sowohl Rosa als auch Ludwig, haben einen ersten Schritt auf dem Weg zu dieser dementsprechenden auch existenziellen Antwort gemacht. Sie haben begonnen sich mit ihr zu beschäftigen. Und ich wünsche beiden von Herzen, dass Sie diesen Weg nicht alleine bestreiten, sondern sie einen Begleiter an ihrer Seite haben. Einen Begleiter, der mit ihnen den Weg hin zu sinnerfüllten weiteren Lebensjahren gehen wird.

Oft stellen sich solche großen Fragen im Leben immer erst dann, wenn sich – wie in der Geschichte geschrieben – etwas Grundlegendes ändert. Vielleicht hast Du Lust, Dein Leben proaktiv in die Hand zu nehmen und Dir schon heute selbst die Frage zu stellen: „Funktionierst Du noch oder lebst Du schon?“

PS: Wir können diese Frage auch gerne gemeinsam reflektieren. Einfach eine Mail an info@christian-holzhausen.com senden. Ich freu mich drauf!



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